Eine Krabbe aus dem Malawisee
Einführung
Als die Fa. Uka Aquarienbau Anfang 1997 Cichliden aus dem tansanischen Teil des Malawi-Sees einführte, waren als Beifang auch einige Malawisee-Krabben dabei. Es war das erste Mal, das ich diese Tiere lebendig zu Gesicht bekam und war sofort von den bläulichen Tieren mit den roten Gelenken derart begeistert, daß ich eine weibliche Krabbe in ein 500 l Becken mit verschiedenen Cichliden, vorwiegend Mbunas, setzte.
Da über diese Wirbellosen in der einschlägigen Aquaristikliteratur wenig zu finden ist, habe ich mich eingehend mit ihnen beschäftigt und möchte das Ergebnis allen Interessierten hier zur Verfügung stellen.
Beschreibung
Jetzt wird es wissenschaftlich. Die Malawisee-Krabbe gehört zur Klasse Crustacea (Krebse), Unterklasse Malocostraca, Überordnung Eucarida, Ordnung Decapoda (Zehnfußkrebse), Unterordnung Reptantia, Abteilung Brachyura (Echte Krabben). Diese Abteilung der "Kurzschwänze" (gr. brachys = kurz, oura = Schwanz) beinhaltet ca. 4550 Arten in verschiedenen Familien, eine davon ist die Familie Potamonidae, die Süßwasserkrabben, zu denen die Malawisee-Krabbe gehört. Sie lebt endemisch im Malawisee in Ostafrika. Der wissenschaftliche Name wurde bis vor kurzem mit Potamonautes orbitospinus angegeben, inzwischen wird sie aber als Potamonautes lirrangensis eingereiht. Der alte Name blieb als Synonym bestehen.
Vertreter der Familie Potamonidae kommen in vielen Gegenden vor, so in Südamerika, in Seen Italiens und Griechenlands, im oberen Kongo sowie in Gebirgsbächen des Kaukasus. In feuchten Waldgebieten leben die Krabben teilweise amphibisch, einen längeren, teilweise tagelangen Aufenthalt außerhalb des Wassers ermöglichen ihnen die gut abgedichteten Kiemenhöhlen.
Nun zum anatomischen Aufbau. Der Körper besteht zum einen aus Kopf und Brustteil, dem Cephalothorax sowie dem darüber gewölbten Rückenpanzer, dem Carapax. An diesem Körper befinden sich zum einen insgesamt fünf Schreitbeinpaare (Peraeopoden), von denen das erste mit den Scheren besetzt ist, zum anderen der, jedoch verkümmerte, Hinterleib (Pleon). Dieser ist stets unter den Cephalothorax geschlagen und dient dem Weibchen nur noch zur Aufnahme der Brut. Hier ist er auch wesentlich breiter als bei den Männchen und dient somit als gutes Unterscheidungsmerkmal. Für die Fortbewegung wie z.B. beim Flußkrebs oder Hummer hat er keine Bedeutung mehr.
Am interessantesten finde ich immer wieder die Kopfregion.
Die gestielten Facettenaugen sowie die beiden Antennen liegen rechts und links von der "Nase", dem Rostrum, in Vertiefungen, in die sie bei Gefahr hineingeklappt werden, um sie vor Beschädigungen zu schützen.
Unter dem Rostrum befindet sich eine anatomische Meisterleistung, das Mundwerkzeug. Dieses komplizierte Werkzeug wird von dem 3. Maxillen-Paar (Unterkiefer) wie durch zwei Tore geschützt, das aber auch zum Festhalten der Beute dient. Dahinter befindet sich in einem Mundvorraum das 1. und 2. Maxillen-Paar sowie die zu Kieferfüßen umgewandelten ersten Beinpaare. Diese zerkleinern die von den Scheren zuvor schon zerteilte Beute weiter und leiten sie einem Mandibel-Paar (Oberkiefer) zu, welches die Nahrung mit seiner kräftigen Kauleiste zermahlt und dem Kaumagen übergibt, welcher ein mit Chitinleisten besetzter Abschnitt des Vorderdarms ist.
Die Atmung geschieht über Kiemen, sogenannte Phyllobranchien. Sie sitzen beidseitig in der Nähe der Beinansätze in Kiemenhöhlen, die nach innen durch Körperwände und nach außen durch die Seiten des Carapax (Brachiostagthite) begrenzt sind. Hier befinden sich im Carapax Öffnungen, durch die mittels schaufelnder Bewegungen der Scaphognathiten (langgestreckte, blattförmige und leicht gebogene Platten an den Enden des 2. Maxillen-Paares), die in einer kleinen Kammer (Praebranchialkammer) im Mundvorraum liegen, ein Wasserstrom erzeugt wird, der die Kiemenhöhlen durchzieht und vorne nahe den Scherenbeinen wieder ausgestoßen wird.
Darum haben Krabben außerhalb des Wassers auch manchmal Schaum vor dem Mund. Die "Atemöffnungen" im Carapax sind meist mit dichten Haarbüscheln versehen, um ein Eindringen von Fremdkörpern zu verhindern.